Steffen Krach, SPD, Kandidat für die Regionspräsidentschaft der Region Hannover, Studium der Politikwissenschaften, Staatssekretär für Wissenschaft im Berliner Senat. Mit dabei ist auch Adis Ahmetovic, der Chef der SPD-Hannover und Kandidat für den Bundestag. / VON GUIDO BARTH
Herr Krach, Herr Ahmetovic: schönen guten Tag.
Herr Krach, zuerst würde ich gerne mit Ihnen über das Klinikum Region Hannover (KRH) sprechen. Anschließend kommen wir noch zur Mobilitätswende und zu einigen sozialen Fragen.
Die finanzielle Situation des Klinikums Region Hannover (KRH) hat sich in den letzten Jahren weiter angespannt. Wenn man sich umhört, heißt es häufig, dass sich das relativ einfach entspannen ließe, in dem man die Anzahl der aktuell zehn Häuser reduzieren würde.
Das sehe ich anders. Zehn Standorte in der Region hören sich erst Mal viel an. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die vergangenen 16 Monate gezeigt haben, dass es genau richtig ist, dass man so viele Standorte vorhält. Natürlich ist es wichtig, dass diese unterschiedliche Profile haben, aber an der Zahl selbst werde ich nicht rütteln. Gerade die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig gute Gesundheit und eine verlässliche Infrastruktur auch in der Region Hannover sind.
Es gibt ja verschiedene Probleme. Da ist einmal das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), da ist die Digitalisierung, dennoch wird die Entspannung der finanziellen Situation als das vorrangigste Ziel genannt.
Es gab
vor rund fünf Jahren eine Studie die besagt, dass man 300 Krankenhäuser in Deutschland schließen sollte. Ich bin davon nicht überzeugt. Ich bin der festen Meinung, dass wir insbesondere nach der Corona-Pandemie darüber reden müssen, wie die Krankenhausfinanzierung funktionieren kann. Durch die größte Gesundheitskrise der vergangenen 75 Jahre haben sehr viele Krankenhäuser riesige Defizite eingefahren.
Krankenhäuser mussten zahlreiche OPs absagen und viele Betten freihalten, weil die Befürchtung bestand, dass Corona-Patienten aufgenommen werden müssen. Bei einem Klinikum wie der Charité beliefen sich die Kosten jeden Abend auf ein paar hunderttausend Euro, insgesamt rund 50 Millionen Euro. In einer Phase, wo die gesamte Klinik in einem absoluten Ausnahmezustand war. Die Pfleger*innen waren vollkommen an der Grenze der Belastung, und da macht das gesamte Krankenhaussystem Defizite? Da kann man nur zu dem Schluss kommen, dass irgendetwas nicht stimmt in der Krankenhausfinanzierung.
Es wird ja auch eine Krankenhausreform gefordert. Das bringt dann oft nur mehr Bürokratie, weniger Personal und weniger Zeit für Pflege und Behandlung. Insgesamt können dann weniger Leistungen angeboten werden und es wird weniger eingenommen.
Das Problem des Krankenhausfinanzierungssystems ist doch, dass man erst Geld bekommt, wenn der Patient oder die Patientin da ist und operiert wird. Als Beispiel: Es würde doch niemals jemand auf die Idee kommen, Polizei und Feuerwehr nur nach Einsätzen zu bezahlen. Das würde auch keinen Sinn ergeben. Das gleiche gilt für das Krankenhaussystem. Es gibt bislang keine ausreichende Basisfinanzierung in der Art Vorhaltekosten. Diese werden einem Krankenhaus zur Verfügung gestellt, um einfach ein Angebot vorzuhalten.
Auch müsste die Gesundheitsförderung und Prävention eine größere Rolle spielen. Das berücksichtigt das Finanzierungssystem nur unzureichend. Es gibt sogar Routineuntersuchungen, z. B. bei Frauen, die nicht mehr von der Krankenversicherung übernommen und selbst finanziert werden müssen. Dies können sich nicht alle leisten, und diese gehen möglicherweise unregelmäßiger zum Arzt bzw. erst, wenn Beschwerden auftreten. Dann ist es erstens häufig zu spät und zweitens macht das in der Behandlung einen sehr großen Unterschied. Deswegen muss man das Krankenhaussystem völlig verändern. Ich weiß, dass man das nicht allein in der Region Hannover machen kann, dass dies ein bundesweites Thema ist. Aber die Region Hannover hat mit 1,2 Millionen Menschen eine starke Stimme.
Adis Ahmetovic. |
Herr Ahmetovic, wie soll das denn geändert werden?
Steffen hat es gut dargelegt: Die Präventionsarbeit ist das A und O. Es ist ein Problem, dass diese in der gesamten Krankenhausfinanzierung nicht genügend berücksichtigt wird. Was wir in dieser Pandemie zudem gesehen haben, ist die Bedeutung der Rolle der Gesundheitsämter im Bereich der Aufklärung oder im Bereich der Gesundheitsarbeit und der Infektionen und Hygiene. Letzteres Thema spielt ja erst seit der Pandemie eine so große Rolle. Wer hat sich hierzulande vorher regelmäßig die Hände desinfiziert oder eine Schutzmaske aufgesetzt? Nicht, dass ich das beides dauerhaft einführen möchte, aber das Thema Aufklärung an sich ist sehr wichtig und muss viel stärker auch in die Schulen gebracht werden. Das gilt insgesamt aber auch für den beruflichen Kontext. Der Fokus auf das Krankenhausfinanzierungssystem und die Gesundheitsämter darf nicht nur eine Momentaufnahme aufgrund der Pandemie sein! Ich würde so weit gehen zu sagen, dass wir das System grundlegend neu strukturieren müssen. Dies ist mit dem jetzigen Gesundheitsminister Jens Spahn leider nicht zu machen. Die SPD ist viel unterwegs und vertritt klare Botschaften, aber sie braucht eben andere Mehrheiten dafür.
Apropos Botschaften, Herr Krach, Sie sind in den sozialen Medien sehr aktiv. Facebook, Instagram, Twitter, Telegram: Wenn man sich an den Follower-Zahlen orientiert, könnten die bei einer knappen Stichwahl den Unterschied machen. Der CDU-Kandidat Axel Brockmann, war ja bei der letzten Wahl 2014 mit 4.412 Stimmen nur knapp unterlegen.
Der digitale Wahlkampf ist im Jahr 2021 natürlich ein völlig anderer als der im Jahr 2014. Dieser spielt auch coronabedingt jetzt eine viel größere Rolle. Man kann keinen Wahlkampf mehr führen, ohne in den sozialen Medien präsent und auch sehr aktiv zu sein.
Mobilität
Herr Krach, sie waren neulich auf einer Radtour auf dem geplanten Radweg von Herrenhausen nach Garbsen unterwegs. Die SPD und Sie sagen, wir bauen den Radschnellweg zum Uni-Campus, wir bauen auch die S4 Verlängerung nach Garbsen und wir bauen den Radschnellweg von Sehnde bis nach Wunstorf. Alles wichtig, alles gut, aber es ist auch Wahlkampf, nachher geht es doch darum, was rumkommt.
Genau. Natürlich geht es darum, glaubwürdig zu sein und natürlich geht es darum, dass man das, was man vor der Wahl ankündigt auch nach der Wahl einhält.
Solche Zusagen gibt es in vielen Bereichen, was mir immer so ein bisschen fehlt ist, welches Programm hat die SPD eigentlich. Also, was steht dahinter?
Nehmen wir Mal als Beispiel den Radweg von Herrenhausen nach Garbsen. Warum sollte dieser Plan denn nicht umgesetzt werden? Es sind schließlich alle dafür. Es gibt nicht einen einzigen, der mir bisher gesagt hat, er ist dagegen. Der Oberbürgermeister aus Hannover, den haben wir zufällig zu Beginn der Radtour auf dem Markt getroffen, hat gesagt, er unterstützt die Idee. Der zuständige Verkehrsdezernent (Ulf-Birger Franz, Anm. d. Red.) ist dafür. Die SPD ist dafür und ich habe bisher auch noch nicht von anderen Parteien gehört, dass sie dagegen sind. Es gibt die Pläne, sie müssen jetzt nur noch umgesetzt werden.
Es gibt doch sogar schon Pläne für 12 Velo-Routen, mit der nach Garbsen sind es vielleicht sogar 13.
Der Ausbau der geplanten Velorouten und Radschnellwege soll bis zum Jahr 2025 vollendet werden. Und je mehr es werden, und je mehr Menschen diese auch nutzen und das Auto stehen lassen, desto schneller erreichen wir unsere gesteckten Klimaziele.
Ja, es heißt aber derzeit, dass, bis die Mal da sein werden, würde das noch zehn Jahre dauern.
Wir wollen eine andere Mobilität haben in den kommenden zehn, 15 oder 20 Jahren. Wir setzen auf eine bessere Fahrradinfrastruktur und den öffentlichen Nahverkehr. Und wir wollen beides so attraktiv gestalten, dass die Menschen gerne auf ihr Auto verzichten. Diese ambitionierten Ziele müssen wir jetzt anfangen umzusetzen. Denn klar ist: Die Umsetzung von verkehrspolitischen Projekten dauern mitunter sehr lang, denken Sie an die gesamte Untertunnelungen von Städten, die teilweise Jahrzehnte im Voraus geplant wurden. Wir müssen jetzt schnell die Taktung verbessern, die Anbindung ausbauen und faire Preise bieten. Schnell geht es nun erstmal über das Projekt SprintI, aber langfristig müssen wir weiter denken. Meine Idee für eine signifikante Verbesserung des ÖPNV ist eine „Ringbahn“ um das Umland, wie es sie beispielsweise in Berlin gibt. Eigentlich braucht man diese auch für die Region Hannover. Eine Ringbahn, die einmal um die Region herumfährt und die Querverbindungen zwischen den Kommunen herstellt.
Paris macht das auch.
Ja, man sieht dort aber auch, dass die Umsetzung nicht in den kommenden fünf Jahren abgeschlossen sein wird. Wenn wir 2035 klimaneutral sein wollen, dann müssen wir jetzt mit den Plänen beginnen, z. B. mit einem Fahrradweg, der kurzfristiger umgesetzt werden kann als eine neue Bahnschiene. Eine Ringbahn dauert deutlich länger. Natürlich wollen wir kurzfristige Erfolge erzielen, aber die langfristigen sind mit Blick auf eine klimaneutrale Mobilität auch sehr entscheidend.
Wir wollen zudem das 365 Euro-Ticket für den ÖPNV einführen! Für einen Euro Pro Tag durch die Region mit Bus und Bahn, das ist unser Ziel.
Die SPD hat aber auf Regionsebene schon Mal dagegen gestimmt. Man hat woanders mit diesem Ticket nicht die erwünschten Erfolge erzielt. In Relation zu den Kosten sind da doch nicht so viele Menschen auf den ÖPNV umgestiegen.
Bei der Jugendnetzkarte waren zunächst auch viele dagegen. Das war die Idee von Adis und er wurde viel dafür kritisiert und es gab mit Sicherheit auch Leute, die zu ihm gesagt haben, das wird niemals umgesetzt, das sei viel zu teuer. Jetzt gibt es diese Netzkarte und sie ist erfolgreich. Natürlich kostet das alles viel Geld, aber es ist deutlich weniger gewesen als zunächst veranschlagt wurde, weil sich eben doch viele das Abo geholt haben. Wenn wir zudem sagen, wir wollen eine klimaneutrale Region 2035, dann ist die Mobilität ein ganz entscheidendes Instrument dazu.
Aber die autofreie, oder weitgehend autofreie Innenstadt, das ist doch schon konkret ein Thema.
Ja, aber nicht indem ich sage, bitte nicht mehr in die Innenstadt fahren, sondern ein Konzept entwickele, mit dem auch Menschen aus Uetze, aus Neustadt oder aus Springe gut in Hannovers City einkaufen können und diese mit den öffentlichen Nahverkehrsmittel gut erreichen. Die Menschen müssen Lust haben, auf ihr Auto zu verzichten, weil es ohne schneller geht und weil es günstiger ist. Und deswegen gilt: Anbindung, Taktung und faire Preise. Und dieses 365,- Euro-Ticket ist ein Schritt dazu. Ich bin mir ganz sicher, dass das auch in anderen Regionen in Deutschland umgesetzt wird.
Also, in Wien hat der Vorgänger von Regionsdezernentin Frau Karasch gesehen, dass mit dem Ticket bei weitem nicht das erreicht wurde, was man sich ausgerechnet hatte.
Nein, alleine nicht. Es reicht nicht, einfach nur zu sagen, wir machen jetzt das 365,- Euro-Ticket und alles ist gut. Man muss eine gute Anbindung haben und auch langfristig denken. Kurzfristig geht das nur über zusätzliche Buslinien. Seit dem 1. Juni gibt es das Pilotprojekt SPRINT I in drei Kommunen. Dabei kann man über das Mobiltelefon einen Bus anfordern und wird zur nächsten Station gefahren. Das ist ein richtiger Schritt, weil es kurzfristig ein super Angebot darstellt. Mittel- und langfristig muss aber das Schienennetz ausgebaut werden. Und dann, da bin ich mir ganz sicher, werden auch mehr Leute umsteigen.
Und wir sind ja jetzt viel unterwegs, z. B. auf Marktplätzen, und wir haben bisher noch keinen Einzigen gehört, der das 365,- Euro-Ticket nicht gut findet. Bei 1,- Euro pro Tag holt man sich eher ein Abo, auch wenn man nicht jeden Tag Bus oder Bahn fährt.
Wenn Sie Regionspräsident werden, müssten Sie sich natürlich auch Gedanken darüber machen, wer das alles bezahlen soll. Seien es die Fahrradwege oder sei es die von Ihnen genannte Ringbahn.
Verkehrsprojekte in Deutschland werden häufig über EU-Mittel, über Bundes- und Landesmittel finanziert und natürlich über eigene Regionsmittel. Im Haushalt werden hierfür mehr Mittel bereitgestellt, damit für einige Projekte auch kurzfristig der Startschuss fallen kann. Aber wir sind sicher auch auf die Bundes- und Landesmittel angewiesen. Im Investitionsplan des Bundes lassen sich Ausgaben für den Bundesstraßenbau oder den ÖPNV finden, Mittel für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur müsste man da schon lange suchen. Wir setzen daher auf Sieg bei den anstehenden Wahlen, ein CSU-Politiker darf auf keinen Fall mehr weiter im Verkehrsministerium sitzen. Die SPD auf Bundesebene setzt ganz klar auf weitere Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV sowie den Ausbau der Fahrradinfrastruktur.
Es gibt ja gute Beispiele für eine funktionierende Fahrradinfrastruktur.
Eine richtig gut ausgebaute Fahrradinfrastruktur muss man allerdings schon etwas länger suchen. Hier haben wir in Deutschland sicher noch Nachholbedarf.
In Münster macht man das ganz gut.
Ja, bei aller Sympathie für Münster, Münster kann man mit einer Stadt wie Hannover oder anderen Großstädten nicht direkt vergleichen. Bei einem Vergleich mit der gesamten Region Hannover, die knapp 1,2 Million Menschen umfasst, wird der Vergleich noch schwieriger.
Münster ist in der Innenstadt weitgehend autofrei und die haben dort Tempo 30, mit Ausnahmen, wo Tempo 50 erlaubt ist. Das hatte mich neugierig gemacht, wer denn da Bürgermeister ist. Das ist Markus Lewe und der ist von der CDU.
Es gibt sicher Orte und Regionen, wo die lokalen Akteur*innen ihrer Partei voraus sind. Dennoch finde ich, dass man sich beim Thema Fahrradverkehr für gute Beispiele eher international umschauen muss, da mich die Beispiele in Deutschland bislang nicht so richtig überzeugen. Als Leuchttürme sehe ich hier eher Städte wie Kopenhagen oder in den Niederlanden.
Wie eine autoarme Innenstadt ist auch eine richtig gute Fahrradinfrastruktur, wie wir sie uns hier wünschen, nicht von heute auf morgen umsetzbar.
Fahrrad und ÖPNV wären doch das ideale, das sozialdemokratischste Verkehrssystem der Zukunft, eben auch für die Klimaneutralität.
Das sehen wir so, und deswegen halte ich das, was die beiden Kandidat*innen von den Grünen und von der CDU diesbezüglich gesagt haben, insbesondere zum 365,- Euro Ticket, auch für maximal ambitionslos. Immer nur zu sagen, das sei nicht finanzierbar, ist aus meiner Sicht keine sinnvolle Politik. Man muss gucken, was wir erreichen wollen und sich dann die Finanzierungsmöglichkeiten anschauen. Wir haben gesagt, wir wollen das 365,- Euro Ticket. Wir wissen, dass das Geld kostet, aber es ist unser absolut prioritäres Projekt, und wir werden dafür Finanzierungswege finden.
Soziales
Herr Ahmetovic, Sie möchten im Wahlbezirk 41 als Nachfolger von Kerstin Tack in den Bundestag einziehen. Frau Tack kandidiert nach drei Wahlperioden nicht wieder. Sie hat sich in ihrer Zeit hier in ihrem Wahlbezirk u. a. sehr für die Belange von langzeitarbeitslosen Menschen interessiert und sie war auch immer wieder beim Werkstatt-Treff Mecklenheide e.V. (WTM), z. B. bei Jubiläen in den Stöber-Treffs und bei Veranstaltungen.
In der Region sind derzeit ca. 35.000 erwerbsfähige Menschen in der Grundsicherung. Viele von ihnen gelten als langzeitarbeitslos. Die SPD hat ja Hartz IV eingeführt. Was sind da Ihre Vorstellungen für die Zukunft?
Von Hartz IV hat sich die SPD bereits 2019 in ihrem Programm ganz klar verabschiedet. Es funktioniert arbeitsmarkttechnisch nicht mehr und es ist zudem nicht mehr angemessen in der heutigen Zeit. Aber auch der gesellschaftliche Diskurs zum Thema ist ein großes Problem, denn dahinter verbirgt sich ein Stempel, eine gewisse Art von Degradierung. Wir müssen uns also nicht nur von Hartz IV distanzieren, sondern auch von der Begrifflichkeit.
Meiner Ansicht nach hat sich die SPD sehr sozial und zukunftsorientiert aufgestellt. Hier geht es nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern um eine Art Bürger*innengeld, wodurch Menschen über dem Existenzminimum leben und welches auch Kinder und Jugendliche besser berücksichtigt. Wir brauchen einen starken und stabilen Sozialstaat und ich bin froh darüber, dass Olaf Scholz ganz klar sagt, mit ihm wird es einen modernen neuen Sozialstaat geben. Wir werden Hartz IV hinter uns lassen.
Der WTM mit seinen Stöber-Treffs gehört zu den Stadtteilen dazu und ist in Hannover eine Institution. Es gibt hier im Konferenzraum – ich glaube, das ist hier hinter mir (dreht sich um), ein Bild, das zeigt Kerstin Tack zusammen mit Hannovers Bürgermeister Thomas Herrmann beim Besuch einer Veranstaltung hier bei WTM. Ich bin immer sehr gerne hier und ich kenne die Bedeutung dieser Einrichtung. Hier entstehen viele innovative Projekte und es werden Produkte mit wenig Ressourcen hergestellt. Die Stöber-Treffs werden in allen Stadtteilen sehr gerne angenommen und deshalb machen wir uns auch in der Sozialdemokratie für sie, so z. B. auch in den Haushaltsberatungen stark. Im Bundestag werde ich jede Chance, mich für den WTM und seine Stöber-Treffs stark zu machen, auf jeden Fall nutzen. Das garantiere ich und ich möchte auch diese Tradition von Kerstin Tack fortführen, die natürlich auch ein Gesicht dieses Projekts war.
Die SPD ist ja nun schon seit Jahren an der Regierung und es hat sich ja nicht wirklich viel getan, wenn man Mal von dem Teilhabechancengesetz absieht, das zweifellos in die richtige Richtung zielt.
S.K.: Wir haben leider keine absolute Mehrheit.
A.A.: Wir haben erstens keine absolute Mehrheit und wir stellen auch nicht die Bundeskanzlerin mit ihrer Richtlinienkompetenz. Nichtsdestotrotz brauchen wir uns als SPD nicht verstecken. Dank der SPD ist in den vergangenen vier Jahren vieles durchgekommen, z. B. den Mindestlohn, den wir jetzt auf 12 Euro anheben wollen, oder als weiteres Beispiel das Thema Rente! Durch Hubertus Heil haben wir die abschlagsfreie Rente nach 45 Arbeitsjahren durchgesetzt. In der Corona-Pandemie war es die SPD, waren es Hubertus Heil und Olaf Scholz, die unsere Wirtschaft, aber vor allem unsere Beschäftigten gerettet haben. Stichwort Kurzarbeitergeld. Was wäre passiert, wenn wir das Kurzarbeitergeld nicht gehabt hätten? Es wäre wieder zu Massenarbeitslosigkeit in diesem Lande gekommen. Mehr als 2,5 Millionen Arbeitsplätze wurden dadurch gerettet. Und unabhängig davon, die Region Hannover hat in der Hochphase der Corona-Pandemie 100.000 Menschen in Kurzarbeit gehabt. 100.000 von 1,2 Millionen Personen, die hier in der Region leben. Das sind fast ein Zehntel aller Menschen hier und ich finde, dass wir tolle Errungenschaften, trotz einer Kanzlerin der CDU (Einwurf Steffen Krach: alles Gute kam von der SPD), erzielt haben. Die Minister*innen, die das Land wirklich aus der Krise geholt haben und weiter holen, kommen von der SPD. Schauen wir uns doch Andreas Scheuer oder Jens Spahn an.
S.K.: Und Seehofer, Klöckner. Ich finde es erstaunlich, dass man von den CDU/CSU-Ministern sehr wenig hört. Adis hat es gesagt: es gibt ganz viele großartige Projekte der SPD, und viele haben wir gegen den Willen der CDU auch durchgeboxt, aber dies sollte nicht unser Maßstab sein. Deshalb muss es nach der Wahl auch eine andere Mehrheit geben. Ich bin da ganz optimistisch, dass Olaf Scholz Bundeskanzler wird.
Karl Lauterbach (Gesundheits- und Corona-Experte der SPD, der mittlerweile rund um die Uhr unter Personenschutz steht, Anm. der Red.), ein verdienter SPD-Mann, wollte gestern in einem Online-Gespräch nicht kommentieren, warum er in NRW nur auf Listenplatz 23 ist.
S.K.: Karl Lauterbach wird den Wahlkreis direkt gewinnen, da bin ich mir sicher. Adis ist auch nicht auf Listenplatz 1 oder 2, aber ich glaube, dass auch er den Wahlkreis für Hannovers Norden direkt gewinnen wird.
A.A.: Ich habe mich gegen einen Listenplatz entschieden.
S.K.: Ganz selbstbewusst.
A.A.: Ich habe mich dagegen entschieden, da ich mir als junger Mann, der kandidiert, auch einen gewissen Respekt erarbeiten und verdienen möchte. Es gibt einige die fragen, ob ein junger Mensch wie ich mit 28 Jahren in den Bundestag gehen kann. Ja, das kann ich und ich möchte es jetzt auch wissen. Schenken mir die Wählerinnen und Wähler das Vertrauen oder nicht und wenn sie es mir schenken, da kann man sagen, dass es die junge Generation verdient hat, im Bundestag vertreten zu sein.
S.K.: Ich finde es absolut richtig, dass er das so macht, weil es ist selbstbewusst zu sagen, den Wahlkreis, den kann man gewinnen. Es ist kein Selbstläufer, es gibt keinen Wahlkreis in Deutschland mehr, der für die Sozialdemokratie sofort gewonnen ist. Aber es ist machbar.
A.A.: Bis auf Emden.
S.K.: Ja, vielleicht noch Emden.
Herr Krach, wie finden Sie denn das Bildungs- Sozial- und Familienprogramm der Grünen?
Die Grünen sind in elf Landesregierungen in Deutschland vertreten. Es gibt jetzt seit ein paar Wochen das erste Mal wieder eine Bildungsministerin, die von den Grünen gestellt wird. Davor hat die Partei immer auf das Ressort verzichtet. Die Kanzlerkandidatin stellt sich aber hin und erzählt, sie wolle tolle Familienpolitik machen. Da frage ich mich, warum die Partei da nicht Verantwortung übernimmt vor Ort? Überall da, wo sie in der Regierung sind, machen die Grünen eben genau das nicht. Und ehrlich gesagt, ich könnte jetzt hier nichts sagen, was die Grünen eigentlich bei der Rente wollen, beim Thema Arbeitslosengeld usw. Das sind alles Themen, wo ich bei den Grünen nie Vorschläge höre.
Nehmen wir vielleicht nochmal ein Beispiel aus der Bundespolitik: Die SPD-Bundestagsfraktion musste wochenlang kämpfen, um ein sogenanntes Aufholpaket für Kinder und Jugendliche in Höhe von zwei Milliarden Euro auf den Weg zu bringen. Hier hatte sich die CDU lange dagegen gesperrt. Da soll es darum gehen, dass die Sprachförderung nachgeholt wird und möglicherweise auch kostenloser Schwimmunterricht – genau wie wir es seit Wochen in der Region Hannover fordern – angeboten wird, Sportvereine gefördert werden und Nachhilfe angeboten wird.
Das gibt es nur wegen der SPD-Bundestagsfraktion und ich bin mir sicher, die zwei Milliarden werden nicht ausreichen, weil die Folgen der Pandemie für die Kinder und Jugendlichen schon immens sind. Von den Grünen hat man diesbezüglich ebenfalls nicht viel gehört.
Herr Krach, Herr Ahmetovic: vielen Dank für das Gespräch.
(gb)
Das Gespräch hat Guido Barth geführt. Er ist Journalist und Social Media Manager in Hannover.
Links:
Grundwertekommission (GWK)
DAS ANTHROPOZÄN – UNSERE VERANTWORTUNG IM ZEITALTER DES MENSCHEN
https://grundwertekommission.spd.de/perspektivwechsel/
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Umwelt/Klima/Ökologischer Umbau
Beschluss der SPD aus dem Jahr 2019:
Wir bauen unser Land um:
sozial, ökologisch, demokratisch, gerecht